Visuelle Werkzeuge – Workshop 02
Workshop 02 – Stellen Sie besser Fragen
Auch im 2. Workshop werden wird es wieder um die Lieblingsbilder gehen und den Fragen, die man sich dazu stellen kann.
Als ich angefangen habe zu fotografieren, waren mir die technischen Aspekte immer am wichtigsten. Ich war davon überzeugt, dass die Leute Kameras hatten, mit denen sie Bilder machen können, die ich mit meiner Kamera NICHT machen kann. Habe ich am Ende die falsche Kamera? Ich hatte sie, aber nur, weil mir die erste nicht wirklich gut in der Hand lag und Knöpfe und Menüs einfach nicht passten. Ein Grund, warum ich heute immer noch gerne schleppe und mich nicht für diese Winzlinge unter den Kameras begeistern kann – ich komme immer an Knöppkes, die ich einfach nicht drücken will 🙂
Ansonsten spielt die Kamera eine nebensächliche Rolle – nach meinem heutigen Stand. Zwischen Crop und VF muss man sicherlich etwas Umdenken, jedes System hat vor und Nachteile, aber Fotos machen kann man mit beiden wunderbar! Wenn ich heute Exifs sehe, dann stelle ich mit Ernüchterung fest, dass die alle nur mit Wasser kochen und wirklich tolle Fotos oft mit einfachstem Equipment gemacht werden. Die letzten Tage bin ich wieder mal über den Blog von Joel Tjintjelaar gestolpert – er durfte eine Phase One – 100 MP Kamera testen – auf seiner Seite habe ich ein wenig hier und da gelesen und auf seiner „My Gear“ – Seite erwähnt er z.B. lobend ein Objektiv, was gerade mal 160 Euro kostet. „Canon EF-S 55-250mm f/4-5.6 IS II Lens for Digital SLR Cameras – An older lens before I had the 70-200 f2.8 but still a great lens for portraits and still life especially when mounted on the 7D.“ So ein Objektiv vermutet man nicht bei jemandem, der so geile Fotos macht, oder?
Was nützen mir die Exif-Daten von Fotograf XY? Ich sehe das Kameramodell, das Objektiv und die Einstellungen, aber ich weiß nicht, wie das Licht vor Ort war, auch gibt es fast nie Informationen über Filter und keiner weiß wirklich, wie es vor Ort aussah oder was der Fotograf noch alles gemacht hat, was wir über die Exifs gar nicht erkennen können. Was nützen mir also diese Exif-Daten, wenn ich nicht zur gleichen Zeit am gleichen Ort bei gleichem Licht bin? Nichts! Die Technik allein macht keine Fotos – es ist der Mensch hinter der Kamera, seine Ideen, seine Art die Bilder aufzunehmen und zu entwickeln, seine Vision. Natürlich ist es gut Dinge zu wissen, andererseits ist es viel wichtiger Fotos zu machen.
Wie man es macht ist doch am Ende egal, denn das Ergebnis zählt!
Man denke da mal an Rhein II Andreas Gurskys großartiges Werk, welches zu den am teuersten verkauften Fotografien überhaupt gehört – das Ergebnis einer Aufnahme vom Rhein, an dem er großzügig gestempelt hat. Ja und? Wie auch immer man das sieht – er hat ausgesorgt!
Aber nun mal zu meinen Bildern …
Bei allen Bildern ist mir wichtig magische Momente einzufangen und die Dinge märchenhaft, besonders, einzigartig, aus dem Alltag gerissen darzustellen. Ihr habt schon Bilder gesehen, wie „magisch“ diese Orte in Wirklichkeit aussehen, wenn man sie im realen Leben besucht. Von Baustellen, über Randstreifen, vermüllten Grundstücken, Wald, Wiesen, Gehwegen etc. ist da alles dabei. Magisch wird es erst, wenn ihr es mit meinen Augen seht, wenn man das Drumherum ausblendet und den Blick gezielt lenkt.
.
.
The Waltz
Die Buschwindröschen – durch die Schärfentiefe werden im Vordergrund/Hintergrund Elemente, die stören würden ausgeblendet. Es gibt diesen Lichtfleck hinter den in Bewegung scheinenden Blättern, was den Blick dahin zieht und zu den hellen, scharfen Blüten die ganz andere Farben haben als das restliche Bild. Die Stiele der Blumen führen von den Blättern zur Blüte. Das restliche Bild ist unscharf marmoriert und daher für das Auge nicht wichtig.
.
Last light
Der Marienkäfer im Gras – Gras – Linien, die von links unten nach rechts oben führen – in Leserichtung bergauf – was langsamer betrachtet wird als in Leserichtung bergab – was wie eine Rutsche wirkt und den Betrachter schnell aus dem Bild „herausrutschen“ lässt. Im unteren Drittel des Bildes in einem Lichtkreis der Scherenschnitt des Käfers auf der senkrechten Goldenen-Schnitt-Linie. Zum Lichtkreis hin heller werdend – im Vordergrund scharfe Grashalme, glitzernde Wasserperlen, der Hintergrund unscharf. Ruhig durch wenig Farben. Gegenlicht – Licht im Rücken ist meistens langweilig 😉
.
Land of fairy tales
Der bemooste Baum mit dem kleinen Pflänzchen – eine Szene wie im Märchenbuch – Hauptdarsteller die kleine Pflanze mit den 2 Blättern die mit ein wenig Moos drumherum als einziges scharf dargestellt ist. Bild in braun-grün-gelb-Tonen. Pflanze auf linker unterer goldenen Schnitt-Punkt. Licht fällt auf die Stelle, wo das Pflänzchen wächst – drumherum dunkler. Im Hintergrund Licht im oberen linken Bildteil. Dazwischen ein dunkler Streifen mit Zweigen, die wie ein kleiner Wald wirken. Von links unten führt die Linie über den mit Moos bewachsenen Stamm zum Pflänzchen und zum Licht – von dort aus weiter zu den Ästchen rechts, die aber auch nach links zum Licht zeigen und von dort an den linken Zweigen wieder zur Pflanze zurück. Der Blick bleibt im Bild.
.
Der Spanner
Durch die umgebende Unschärfe bleibt der Blick am Spanner hängen und wandert den Gurt hinunter bis zu der abstehenden Schlaufe und wieder hinauf. Spanner und Gurte grau/schwarz – drumherum weiche Pastellfarben gelb/grün/wenig rot und grau/schwarz. Durch das Regenwetter und den bedeckten Himmel – weiches Licht ohne harte Schatten.
.
Wir Zwei
Das Mädchen und der Hund – Die Bank auf der unteren Drittellinie – das Mädchen und der Hund im linken mittleren Bildteil. Die Zahl 2 findet sich immer wieder – 2 Beine an der Bank, 2 Beine des Mädchens, 2 auf der Bank, das Mädchen und der Hund, die beiden Ohren des Hundes, die nach oben abstehen und im Gegensatz zum Hund dunkel sind. Die Schlaufe der Leine unterhalb der Bank hat 2 Punkte, wo sie hinter der Bank verschwindet, der Baum im Hintergrund hat 2 Stämme. Durch die mittige Position des Motivs und die Position der beiden, die sich entspannt aneinander lehnen entsteht eine Ruhe, die durch die Reduktion der Farben auf S/W unterstützt wird. Um das Motiv entspannende Unschärfe.
.
Das Wasserschlösschen
Teekontor in der Hamburger Speicherstadt bei Nacht – das besondere an Nachtaufnahmen sind die Farben, die in der Kamera und der Entwicklung entstehen können, die man vor Ort kaum wahrnimmt und die etwas Bonbonhaftes, Buntes, Verspieltes haben. Gerade Nachts kann man mit der Kamera so viel Licht sichtbar machen, was das Auge so nicht wahrnimmt, dass dies allein schon eine besondere Magie ausstrahlt. Die Waage zwischen Lichtern und Schatten zu realisieren und in allen Bereichen Details sichtbar zu machen ist für mich das faszinierende an dieser Art der Fotografie. Die Schärfentiefe macht es möglich in die Bilder, teilweise in die Fenster zu sehen und dort noch Details zu erkennen.
.
.
Es ließe sich bestimmt noch viel schreiben – und es gab auch mehr Fragen, die hier aber nicht alle Anwendung gefunden haben bzw. nicht lohnen hier angesprochen zu werden, weil sie mich und die Situation vor Ort betreffen. Wer mehr wissen möchte kann sich „Das Handwerkszeug des Fotografen“ von David DuChemin zulegen und seine Bilder selber analysieren. Es gibt wohl mehr und wichtigere Fragen als die nach dem Kameramodell und dem Objektiv und den Exif-Daten… Ein Bild lebt von dem Spiel mit Licht und Schatten / Schärfe und Unschärfe / Linien / Strukturen / sich wiederholenden Elementen / Bildformaten / dem Ausschnitt, der dem Betrachter ja vorgegeben ist, den ein Fotografierender aber wählen kann und viele anderen Dingen. Am Ende ist es das fertige Bild, was zählt!
.
Erscheint in ein paar Minuten!
.
.
.
Altere Beiträge
ach schön! und ja, die erkenntnis haben wir glaube ich alle irgendwann, dass der mensch hinter der kamera das foto macht. da gibt es ja auch das wunderbare zitat mit den töpfen, das helmut newton zugeschrieben wird 🙂
ich hatte ja auch mal kurz überlegt, mir eine vollformatskamera zuzulegen und dachte dann, eigentlich brauche ich die wohl nicht, denn dadurch werden meine bilder sicher nicht besser, wenn, dann muss ich mehr lernen 🙂
Mit Vollformat sind sie anders – aber nicht besser. Es gibt auch Menschen die mit VF gar nicht grün werden. Die brauchen ihren Crop 😉 Zum Glück haben wir die Wahl …
Echt toll, dass sich die Fragen im Workshop im die Dinge drehen, die bei Fotos wirklich zählen. Sehr lange dachte ich, man bräuchte eine Spiegelreflex, um gute Bilder zu machen. Doch meine Schwester mit meiner alten Digitalkamera hat mir schon so oft das Gegenteil gezeigt und mich interessieren die EXIF Daten auch eigentlich nie. Man muss eben wissen, welches Ergebnis man mit welchen Verschlusszeiten und Blenden erzielt und das dann selbst an Wünsche, Motiv und Lichtsituation anpassen.
Schade, dass so viele Fotografen erst einsehen, dass man nur ganz wenig Equipment für gute Bilder braucht, sobald sie eine teure Ausrüstung haben.
Liebe Grüße
Es kommt darauf an, dass Du mit dem, was Du hast auch umgehen kannst. Es nutzt nichts, immer neu zu kaufen, weil man denkt die Bilder würden dann besser. Viel wichtiger ist es zu üben! Und das braucht halt auch Zeit. Sehen zu können ist wichtiger als teures Equipment.
Mit einer Ente kommt man auch in die Schweiz – nur langsamer, und vielleicht nicht ganz so komfortabel wie mit einem Mercedes. Aber man kommt definitiv an. Und ein Cabrio oder Kombi haben andere Funktionen. So sehe ich das auch bei Kameras. Und jeder kauft sich das, was ihm/ihr gefällt und womit er/sie am besten klar kommt.
Was man braucht hängt auch mit der Erfahrung zusammen. Und für Erfahrung braucht es halt Zeit …
Liebe Birgit,
Man merkt, dass du der erfahrenere Fotograf bist. Du möchtest mit deinen Bildern verzaubern, das gelingt dir auch. Deine Bilder sind magisch. Ich bin an einem anderen Punkt in der fotografischen Entwicklung, ich gucke schon nach EXIF Daten, einfach zur Orientierung. Ich habe dieses Tunnel-Projekt, da suche ich in ähnlichen Bildern nach Einstellungen, um eine grobe Orientierung zu haben. Gerade bei neuen Themen wie Nacht oder Bewegung sind das für mich erste Hinweise.
Ich bin ehrlich, wenn ich fotografiere habe ich selten im Hinterkopf, dass es eine Drittelregeln etc. gibt. Langsam verinnerliche ich ein paar gestalterische Grundsätze, bei mir zählt die, in meinen Augen, schöne Szene, ich möchte die Schönheit einfangen, die ich ganz subjektiv empfinde.
Wie du siehst, ich bin ein Anfänger, du hast deinen Stil gefunden, bist erfahren im Umgang mit der Kamera. Deine unglaublich schönen Bilder sind in meinen Augen Referenzklasse.
Herzliche Grüße, Bee
Liebe Bee,
um erste Anhaltspunkte zu bekommen ist das mit den Exifs schon gut. Einige Daten drumherum wirst du aber dadurch auch nicht erfahren. Vieles muss man halt auch ausprobieren. Gerade dieses Ausprobieren macht mir viel Spaß. Alles immer verraten zu bekommen wäre doch zu einfach.
Ich mache während des Fotografierens schon viel aus dem Bauch, aber mein Bauch schaut sich auch genauer an, was er da tut 😉 Denn man kann im Vorfeld schon einiges gut machen. Aber das ist auch Erfahrung, die man nur durchs Fotografieren an sich bekommt.
Stil entwickelt sich – ich denke auch immer weiter, so wie Mode auch. Im Prinzip findet man seine Art, aber dennoch kann man daran immer noch weiterentwickeln. Vor 6 Jahren haben mir viel mehr Bilder gefallen als heute. Warte mal ein paar Jahre ab und Du wirst sehen, dass es immer weniger wird. Selbst unter den eigenen. Die Ansprüche an sich selbst steigen und du wirst eine Idee davon haben, wie das Bild aussehen soll und das zu erreichen wird nicht einfach.
Manchmal bekomme ich auch nicht das hin, was ich hinbekommen möchte. Aber wie heißt das noch … üben, üben, üben – das wird schon!
Danke für das „Referenz“ rotwerd , auch wenn ich mich da gar nicht sehe, denn da gibt es noch so viel zu lernen und besser zu machen.
Herzliche Grüße
Birgit